In den «Les Jardins de Chivrageon» biegen sich die Tomatenstauden unter der Last ihrer Früchte, die Zucchetti künden mit gelben Blüten ihr Gedeihen an und in Saatschalen gedeihen Setzlinge für das Wintergemüse heran, Feder- und Rosenkohl, Endivien und Zuckerhut. Kräuter duften, Johannisbeer- und Himbeersträucher säumen die Beete. Enten schnattern. Eine Idylle am Hang und der Blick reicht bis zum Jet d’Eau in Genf und zu den Alpen im Hintergrund. Auf dem Familienbesitz, den Raphaël Gétaz seit 2017 bewirtschaftet, gedeiht eine erstaunliche Vielfalt. «Wir sprechen von einer Mikrofarm, weil der Hof im Verhältnis zu anderen Betrieben mit 20 bis 25 Hektaren verhältnismässig klein ist. Und doch produzieren wir hier über 250 verschiedene Gemüse und Früchte in Bio- oder bio-dynamischer Demeter-Qualität», erklärt Raphaël Gétaz. Bio-dynamisch meint eine Landwirtschaft, die eine Art Kreislauf bildet, in der Mensch, Pflanze, Tier und Boden zusammenwirken und sich gegenseitig unterstützen. Die Theorie geht auf den Anthroposophen Rudolf Steiner zurück. Raphaël Gétaz ist aber kein Anthroposoph, sondern einfach von den Vortelen der bio-dynamischen Landwirtschaft überzeugt ist, vor allem von der Bedeutung eines gesunden Bodens. Entsprechend viel Arbeit steckt er in dessen Pflege. Er hält die Fruchtfolge ein, lässt dem Gemüse Zeit, Samen zu bilden, um im nächsten Jahr neue Gemüsegenerationen anzubauen. So schliesst Raphaël Gétaz schliesst den Kreislauf auch auf diese Weise.
Die Großzügigkeit der Natur nutzen, in Harmonie und in ihrem Rhythmus arbeiten - das ist Raphaël Gétaz wichtig. Er behandelt die Pflanzen mit den Mitteln, die auf dem Hof zur Verfügung stehen, z.B. Tomaten mit Brennnessel-, Beinwell- und Schachtelhalmgülle, er experimentiert mit ätherischen Ölen, er dokumentiert minutiös Wetter, Feuchtigkeit und Planetenstände. Er untersucht das Wachstum der Pflanzen und ihre Beziehungen untereinander. Raphaël Gétaz ist Autodidakt. Inspiriert wurde er von Alain Passard, der im Pariser Drei-Sterne-Restaurant L'Arpège irgendwann auf rotes Fleisch verzichtete, eigene Gärten anlegte und sich die Menus fortan von den Jahreszeiten diktieren liess.
Zurück in der Schweiz vermisste Raphaël Gétaz diese Frische, den Geschmack von Tomaten, die noch sonnenwarm direkt auf den Teller kommen. Damals, als er noch Sous-Chef in Vercorin war und sich gleichzeitig um das Landgut der Familie kümmerte, es mit Hilfe des Nachbarbauern bewirtschaftete, auf biologisch-dynamische Produktion umstellte und schliesslich den Schritt in die Selbstständigkeit wagte, indem er seine eigene Küche mit der Mikrofarm verband.