Multikrisen erfordern Multistrategien.

Zuhören, austauschen, voneinander lernen und neue Ideen entwickeln – dafür steht der GM Cocktail als Initiative von RATIONAL DACH. Inzwischen ist er mit 20 Veranstaltungen nicht nur qualitativ, sondern auch quantitativ ein voller Erfolg, tourt seit dem Herbst dieses Jahres durch die DACH-Region und zeigt, dass die strukturellen Probleme der Gastrobranche länderübergreifend ähnlich und vor allem alarmierend sind. Worüber sich alle Hoteliers, von Hamburg bis Zürich, einig sind: Die coronabedingte Zäsur hat die Branche, wie so viele andere Branchen auch, deutlich verändert. Der einzige Ausweg den überproportionalen Fachkräftemangel zu verringern besteht darin, den Berufsstand attraktiver und wettbewerbsfähiger zu gestalten. Lösungen und Konzepte finden, die effektiv und vor allem langfristig funktionieren, das versucht der GM Cocktail anzustoßen.

Wir sind mehr als viele ahnen.

„Der Fachkräftemangel ist nur eine Verniedlichung der Umstände“, so André Klode-Purat, Key Account Manager für Hotels & Resorts bei RATIONAL: „Die Menschen verbringen jede 8. Lebensminute in der Gastwelt, die Hotellerie und Gastronomie mit ca. 5 Millionen Beschäftigten der zweitgrößte Arbeitgeber in Deutschland. Wir sind viel mehr als viele ahnen, stecken aber durch Nachwuchs- und Fachkräftemangel sowie massiven Energiepreissteigerungen in der größten Krise der letzten Jahrzehnte. 40 Prozent der F&B Mitarbeiter fehlen seit Corona.“

Das Positive sieht André Klode-Purat durchaus auch: „Das Business kehrt wieder zurück in die Hotels und die Durchschnittsraten steigen – zum Teil ganz erheblich.“

Gestiegen sind jedoch auch die Kosten. Laut NGG-Umfrage unter 4000 Arbeitnehmern empfinden mehr als zwei Drittel der Beschäftigten die Löhne als zu niedrig. Ein Drittel der Arbeitnehmer wollen die Branche verlassen, trotz inzwischen gestiegener Löhne. Diese Aussage ist ein alarmierendes Zeichen, „Es fehlen nicht nur Bewerber, es erreichen auch immer weniger Ausgebildete Ihr Ziel.“ so Ron Weilharter vom Glockenhof Zürich: „Starteten vor 10 Jahren noch etwa 8 von 10 Azubis mit Abschluss erfolgreich ins Berufsleben, erreicht dieses Ziel heute nur noch etwa jeder Zweite, der eine Lehre begonnen hat. Dass bei dieser Quote die Bereitschaft zur Ausbildung, die jeden Betrieb viel Kraft und auch Geld kostet, abnimmt, ist verständlich, aber trotzdem und gerade deshalb wäre diese Konsequenz der größte Fehler, den ein Unternehmen begehen kann, dem sein eigenes Fortbestehen am Herzen liegt.

Regionale Unterschiede beachten.

André Klode-Purat erlebt durchaus Unterschiede bei seinen Gesprächen in den einzelnen Ländern sowie Regionen und fasst seine Eindrücke zusammen: In Deutschland hat bei Köchen Priorität, dass ihre Küche funktioniert, an zweiter Stelle kommen Weiterbildungsmöglichkeiten, an dritter wie sympathisch und kompetent die Führungskraft ist, an vierter das Geld, dann die Arbeitszeit sowie die Digitalisierung. In Österreich dagegen spielt das Gehalt die größte Rolle, in der Schweiz spielt die Bezahlung überhaupt keine Rolle. Überall fehlt es auch an einer neuen Generation Führungskräften, die über Jahre so angelernt wird, dass Sie in der Lage ist, einen Betrieb langfristig überhaupt am Leben zu halten.“

Ausbildung muss reformiert werden.

Der immense Fachkräftemangel ist laut Alexander Aisenbrey, Geschäftsführer vom Öschberghof auch ein Problem des Ausbildungssystems: „Jährlich gibt es rund 220.000 Abiturienten, die keine Ausbildung machen wollen“, erzählt er in einem Interview mit der TopHotel. „Es braucht ein gezieltes Marketing an Realschulen und es müssen Gesetze geändert werden.“ Aisenbrey glaubt, dass ein „Magic-Moment-Mindset“ nicht nur für Hotelgäste, sondern vor allem auch für Gastgebende entwickelt werden müsse.

Auch Selbstkritik ist auf den GM-Cocktails durchaus wahrzunehmen: Interne Strukturen, Hierarchien und der Umgang mit Personal im eigenen Betrieb müssten selbstkritisch abgeklopft werden. Wie sonst könne es sein, dass jeder Dritte Mitarbeiter die Zusammenarbeit mit dem Vorgesetzten als schlecht empfindet.

Es gibt nicht die eine Lösung.

„Alte Denkmuster aufgeben, die Einstellung zur Dienstleistung, der Blick über den Tellerrand – all das braucht es, um weiter erfolgreich zu bleiben“, so das Fazit von André Klode-Purat. „Es wird mehr automatisierte Abläufe und smarte, verschlankte Prozesse geben. Gleichzeitig wird die Branche neue Arbeitszeitmodelle bieten müssen. Ich finde es klasse, dass Novum zum Beispiel ein völlig flexibles Arbeitszeitkonto eingeführt hat, mit dem man auch mal Freitage so ansammeln kann, dass dadurch ein freier Monat entsteht. Die 35-Stunden-Woche bei Ruby oder die 4-Tage Woche bei 25hours sind ebenfalls richtige Ansätze.“

Kreative Ansätze, wie etwa das Angebot eines Hoteliers aus Zürich, seine jungen Mitarbeiter die 6 Tage Woche für ein Jahr „schmackhaft“ zu machen, indem er danach eine bezahlte Auszeit anbietet, in der sich die unerfahrenen MitarbeiterInnen in der Welt ohne materielle Sorgen 6 Monate umschauen können, sind Ansätze, die den Vorstellungen der jungen Generation entgegenkommen. Laut seiner Erfahrung kommen Mitarbeiter nach dem Auslandsaufenthalt motivierter zurück, schätzen den Betrieb noch mehr als vorher und bringen so ein motivierendes Klima in die gesamte Belegschaft. Eine win-win Situation für alle. Und genau das braucht die Branche: Viele Ideen, im Großen als auch im ganz Kleinen – es gibt kein Patentrezept, aber viele Ideen und der ständige Austausch darüber werden darüber entscheiden, wie erfolgreich das Gastrogewerbe in Zukunft aufgestellt sein wird.